Kopflos (Meister und Margarita/ Der Diener und sein Herr)

Mirko Marr / Jasper A. Friedrich

 
Leseprobe zu

"Kopflos"


"Ein Nahverkehrskrimi nach Motiven von Bulgakow und Diderot"



urheberrechtlich geschützt, zur Weiterverwendung, Aufführung etc. Anfragen bei
aufgeführt 1997-98 in Leipzig und Bern
VOLAND
Gestatten sie mir, ihnen von ganzem Herzen zu danken.
IWAN
Wofür danken sie ihm denn?
VOLAND
Für die sehr wichtige Information die mir als Fremden ungemein interessant ist. Aber gestatten sie mir eine Frage: wie steht es denn nun mit den Beweisen für die Existenz Gottes, von denen es bekanntlich fünf gibt?
BERLIOZ
Ach, herrje! Diese Beweise sind allesamt nichts Wert, und die Menschheit hat sie längst zu den Akten gelegt. Sie werden doch zugeben, daß es im Bereich der Vernunft einen Beweis fhr die Existenz Gottes nicht geben kann.
VOLAND
Bravo! Sie wiederholen da genau den Gedanken des rastlosen alten Immanuel zu diesem Problem: Er hatte alle fünf Gottesbeweise restlos zerschlagen, hat aber dann, als ob er sich selbst verspotten wollte, einen eigenen sechsten Gottesbeweis aufgestellt.
BERLIOZ
Kants Gottesbeweis ist ebenfalls nicht zwingend. Nicht umsonst sagt Schiller, Kants Schlußfolgerungen zu dieser Frage könnten allenfalls Sklaven zufriedenstellen.
IWAN
Für solche Beweise müßte man den Kant drei Jahre nach Solowiki verbannen.
...
LUDMILLA:
Was soll das heißen, mein Körpergewicht? Am Ende braucht man noch meine Blutgruppe, um mir ein Kreuz zu bauen.
BEHEMOTH:
Nun ja, im Grunde müssen wir nur wissen, ob sie mehr als sechzig Kilogramm wiegen ...
LUDMILLA:
Sechzig Kilogramm, ich bitte sie!
FAGOTT:
Gemäß der Verordnung über die Sicherheit am künstlerischen Arbeitsplatz ...
BEHEMOTH:
... ist dies die zulässige Höchstlast für tragende Querbalken ...
FAGOTT:
Für alles, was schwerer ist, müssen wir jede Verantwortung ablehnen.
BEHEMOTH:
Sollte sich herausstellen, daß sie falsche Angaben gemacht haben, tragen sie die volle Verantwortung für mögliche Unfallschäden.
REGISSEUR:
Wollen sie uns etwa unterstellen, wir würden ihnen bewußt falsche Maße angeben. Jetzt platzt mir aber der Kragen. Sehen sie zu, daß sie hier endlich verschwinden und ihrer Verpflichtung nachkommen.
LUDMILLA:
Naja, ... wie soll ich sagen ... es lassen sich natürlich Umstände denken, unter denen ich das Höchstgewicht schon mal überschreiten könnte. Je nachdem, was ich gerade gegessen habe. Da kommen schnell ein paar zusätzliche Kilo hinzu.
BEHEMOTH:
Tja, in diesem Falle müßten wir das Kreuz allerdings verstärken ...
FAGOTT:
Ein Doppelkreuz sozusagen...vielleicht ein bischen zu orthodox, aber...
SCHÄTZCHEN:
Warum diese Umstände. Ich bin der Meinung, man sollte einfach die Besetzung noch einmal überdenken.
...
BEHEMOTH:
Zweifle du nur, auch deinem Zweifel kannst du nicht entrinnen!
FAGOTT:
Weil es da oben geschrieben steht?
BEHEMOTH:
Richtig!
FAGOTT:
Ach, und wenn es die große Rolle dort oben nicht gäbe, stände wohl selbst das darin?
BEHEMOTH:
Ich sehe, du hast das Prinzip deiner seinsvergessenen Existenz erfaßt!
FAGOTT:
Du tust mir leid, Behemoth, so wirst du auf ewig ein jämmerliches Katzenleben führen müssen!
(BEHEMOTH und Fagott kommen zurück und begutachten den abgetrennten Kopf von Berlioz, Iwan lauscht den beiden fassungslos, Voland ist spurlos verschwunden)

FAGOTT:
So bestätigt sich das Gravitationsgesetz auf einfachste Weise im Alltag immer wieder.
BEHEMOTH:
Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Selbst eine hartgesottene russische Tramfahrerin ist dagegen machtlos
FAGOTT:
Ja, das stand sicherlich nicht in ihrem Fahrplan!
BEHEMOTH:
Aber in einem anderen sehr wohl!

(schaut nach oben)

FAGOTT:
In den hat die Gewerkschaft leider keinen Einblick.
BEHEMOTH:
Auch wir nicht, mein lieber Fagott!
FAGOTT:
So war Annuschkas Unvorsichtigkeit lediglich ein bedauernswerter Eingriff in den öffentlichen Nahverkehr... Sie ist für nichts verantwortlich zu machen.
BEHEMOTH:
Da ja die Verspätung der Linie Neun schon beschlossene Sache war...
FAGOTT:
So eine Verspätung ist nichts Neues...
BEHEMOTH:
Die Geschichte wiederholt sich auf fatale Weise.
FAGOTT:
Das Gravitationsgesetz läßt sich auch in Rußland nicht überlisten.

REGISSEUR:
Genosse Iwan, beruhigen sie sich. Sie sind verstört durch den Tod unseres geliebten Mischa Berlioz.
HERZCHEN:
Vielleicht haben sie auch etwas zu intensiv an ihrer Dichtung gearbeitet.
SCHÄTZCHEN:
Das verstehen wir alle sehr gut. Sie brauchen jetzt Ruhe.
LUDMILLA:
Wir werden sie gleich zu Bett bringen, dann werden sie schlafen.
IWAN
Du, kapierst du nicht, daß man den Professor fangen muß? Du fällst mir mit deinem blöden Gequatsche auf die Nerven! Schnepfe!
LUDMILLA:
Genosse Besdomny, erlauben sie?
IWAN
Nein, dir erlaube ich gar nichts!
(Prügelei, Iwan wird überwältigt und gefesselt)

 

15. Mai 1997: Premiere. Das Theater AMAROK spielte 'Kopflos' im LVB-DEPOT Leutzsch in Leipzig, D.

Das Theater AMAROK, Leipzig-Bern, zeigte unter Regie von Mirko Marr "KOPFLOS" - eine bearbeitete Fassung Bulgakows 'Meister und Margarita' im Straßenbahndepot der LVB in Leutzsch sowie 1998 im Tramdepot in der schweizer Hauptstadt Bern.
In zehn Vorstellungen je Stadt sahen mehr als 2000 Besucher im Ambiente eines Straßenbahnhofes die Tragigkomödie über das rätselhafte Auftauchen des Leibhaftigen im Moskau der 30er Jahre.

 

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