Der Vogel und der Bär (Singspiel) (1991)

Jasper A. Friedrich


"Der Vogel und der Bär"


groteskes Singspiel für Chor, Kammerorchester, drei Sprecher
uraufgeführt am 26. August 1991 in Leipzig
u.a. mit Meigl Hoffmann, Susanne K. , Carsten Jäger


ein Singspiel

Personen:
Sprecher
Vogel
Bär
Ei
Chor der Nornen


VORSPIEL - Overtüre
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Letzter Aufzug
vorletzte Szene
gigantisches Felsengebirge, verdeckt durch ein großes Tuch, durch welches die Akteure agieren. Feierliche Stimmung, Betretenheit beim Publikum aufgrund der großen Verspätung.

SPRECHER:
Gebracht sei euch die Kunde
wie erschaffen ward der Mensch

CHOR:
Am Urdbrunnen düster von Nebel umwallt
stand einst Yggdrasil, der Weltenbaum.
Am Borne dort es warfen die Nornen
die Runen des Schicksals gen Himmelssaum.

SPRECHER:
Es hielten Rat die heiligen Götter;
Namen sie wählten für Neumond und Nacht,
für Mittag und Morgen, Zwielicht und Zeit,
diesselbe zu messen in Ewigkeit.
Es wuchsen die weisen Wanen
mit den Asen zum Göttergeschlecht -

CHOR:
Doch die Mitte ward vergessen, 
der Mensch, wie er war, so war er schlecht!

SPRECHER:
Die Tiere, der Ursprung, die Kraft:
einzig sie glichen Götterlaune.
Nicht lechzten Alben noch Elfen nach Mensch -
zum Tanz spielten für sich nur die Faune
Aber zu schaffen, erkoren von Wotan, dem Fürst

CHOR:
NUEVLO PUEBLO!

SPRECHER:
Heldisch und hehr
wurden berufen der Weise:

CHOR:
Der Vogel!

SPRECHER:
und der König der Tiere -

CHOR:
Der Bär!

SPRECHER:
Sie sollten zeugen auf Götter Geheiß
ein irdisch Geschlecht, das gebunden an

CHOR:
FLEIß,
Treue und Ehrfurcht vor Schicksal und Macht
in der Mitte der Erde, in DEUTSCHLAND erwacht!

Auftritt VOGEL, leichten Fußes, beschwingt
VOGEL:
Ich bin das wilde Vogeltier
und lebe hier im Forstrevier,
und ich brummel wie die Hummel
wie die Liese auf der Wiese
durch Wald und Flur -
dem Bären auf der Spur!
Er wird erst abgehängert,
wenn er mich gut geschwängert!

SPRECHER:
Es ragt eine Burg
von Riesen erbaut,
dort Wotan im Saal
mit seiner Sippe.
Und er donnert dem Bär,
daß er lenkt seinen Schritt
zu des Vogels Neste
mit schnellem Schritt.


Auftritt BÄR, Vogelgezwitscher, sehr lieblich, Bär will sich in das Nest zur Ruhe betten, schläfrig)
BÄR:
Dämmert der Tag?
Hört ich ein Piepsen?
So lieblich, so hold!
Nie versiege solch Lied!
Oh, bang wird mir -
die Sehnsucht - sie zehrt!

VOGEL:
Ich glaube doch, er hat mich gehehrt!

BÄR:
Verlangen, ich weiß nicht woher!
Gesandt von edler Göttergnade -
denn nie ward ums Herze mir schwer
wie beim Regieren itzo an diesem Tage!
Wann darf ich erschaun, das Antlitz, das edle? - 
Weisheit ward mir, doch Liebe nie mein!

VOGEL:
Er ist und bleibt ein weibstolles Schwein!

BÄR:
Oh, wie zierlich schön diese Stimme schwingt,
göttergleich ihr Gesang erklingt!

VOGEL:
Ich glaube, der Bär, er spinnt!

BÄR sieht Vogel, begeistert
BÄR:
Oh, ein Vöglein ist's, welch holder Blick, 
auf Erden holt mich nichts zurück!
Wotan hat mit Segen mich beglückt!

VOGEL:
Vor Geilheit wird er gleich verrückt!

BÄR:
Bei allen Helden, die mir kamen -
sag mir Maid deinen Namen!

VOGEL:
Ich bin das wilde Vogeltier
und lebe hier im Forstrevier!
Und du, so hold und hehr,
bist sicherlich der Bär!

BÄR:
Gesprochen hast du weise.
Die Nornen haben's mir erzählt;
zu zeugen in Verpflichtung
ein neu Geschlecht, von Gott erwählt!

CHOR:
Die Krume zu brechen,
zu bezwingen das Meer,
den Wald zu entlauben,
zu kämpfen im Heer!

BÄR:
Und ich sei der Vater!

VOGEL:
Heil dir, oh Vater!

CHOR:
Heil dir, heil dir, oh, Bär!

VOGEL:
Gib Ruhe Alter und laß sehn,
was später dir dann sollte stehn!

BÄR:
Des Mannes Stolz, er wird erwachen,
dich zu Gottes Gattin machen.
Stark dieser Speer dich wird stechen, 
wie jeden Feind mein hölznerner traf,
einem Trinkhorn gleich, werd ich dich füllen,
für Fricka dich schlachten, Opferschaf!

VOGEL:
Dein Speer erscheint mir so neidlich nicht!

BÄR:
Erst kraftvoll er kämpft, wenn er aufgericht!

VOGEL:
Zudem bist du wohl brutal,
wie soll ich sagen...

BÄR:
Was soll mir dein Zweifeln?
Wozu dein Zagen?
Wenn schäumend ich aufschieß
in wütender Sehnsucht,
nur sengende Wünsche
auf Flügeln mich tragen!

Doch Schrecken, Oh!
ein Gedanke mir glimmt
in breiter Brust,
im Herzen mir eben!
In freiester Liebe,
auf Götter Eid,
kann so ein Vogel mir
geben auch Lust und Genuß?

VOGEL:
Nimm das Maul nicht so voll,
du dumper Hund!
So einer wie du
stößt sich immer gesund!

BÄR:
Was labest du dich an meiner Pein?

VOGEL:
Was nennst du dich Bär?
Besser wärst du ein Schwein!

CHOR:
Besser wär er ein Schwein?

BÄR:
Oh, deinen leichten Sinn
will ich verzeihn;
der Liebe Erfüllung
wird sein mir dein Schrein'!

VOGEL:
Nur eines noch laß dir sagen:
den Deutschen zu zeugen
braucht's mehr als ein Bär -
braucht's Verstand!
In deinen Schädel ist's nicht zu fassen, 
daß wir zueinander nicht passen!
Die Natur hat verschieden uns geschaffen -
mich, den RABEN, und dich, den AFFEN!

BÄR:
Auch laß mich sagen
dir noch eines:
Besser als keines
ist mir ein kleines!

VOGEL:
Ha! Wie willst du Lust verspüren?
Du kannst doch nur rühren, rühren!
Ein trister Sadist,
der du bist,
durch und durch,
ein schwanzloser Lurch!

CHOR:
OH!

VOGEL:
Im Kopfe fängt die Liebe an,
dort wird der Mann zum Mann!
Aus meiner Seele Tiefen
werd' ICH den Helden hieven!

BÄR:
Eine Kopfgeburt!
Ich danke, nein!
Der Deutsche wird kein Denker sein!
Wild und wehrhaft, so wie ich -
ein Husar, ein Held, gar fürchterlich!

CHOR:
Gar fürchterlich!
Nun lasset den Disput -
der Gott erzürnt in Wut!
Zur Sache nun! Frischaus! Voran!
Bär, du bist der Mann!
Bär nähert sich dem Vogeltier, ängstlich, angewidert

BÄR:
Die Henne nicht!
Mir rinnt der Schweiß!
Oh, Gott vergib,
ich bin nicht heiß!

CHOR:
Zeugen sollst du IHN
auf Götter hehren Befehl!
Nun gib dir Müh'!
Dann geht's auch schnehl!

BÄR:
Ist der Vogel auch nicht krank?

VOGEL:
Still, du fetter Pelz,
Gut gevögelt, das macht schlank!
Sie kopulieren nach Art der Tiere

CHOR:
Und eins und zwei
Und hin und her
schiebt der Bär
es fällt ihm schwer!
Und drei und vier
Und hin und her
es schiebt der Bär,
er keucht gar sehr!

Der Vogel schreit:

VOGEL:
Ach mehr, ach mehr!

CHOR:
Und hin und her 
und her und hin...
Was schreit der Bär entsetzt?

BÄR:
Ich komme
Ich komme!

CHOR:
Er kommet 
Er kommet

BÄR:
Ich komme 
Ich komme...

CHOR:
Er kommet
er kommet 
usw.

BÄR:
Ich komme...

Alle:
JETZT!

CHOR:
Aaaaaah!

Heil! Heil! Euch Götter heil!
Trunken seht ihr die Erwählten!
Heil! Heil! Dir Wotan, heil!
Glücklich siehst du die Vermählten!

SPRECHER:
Zu End' gebracht ward es mit Fleiß.
Dem Bären schmerzte leicht der Steiß -
Der Monde sind kaum zwei verronnen,
ist gereift, was gut begonnen.

EI:
wird langsam enthüllt

VOGEL:
Es ist soweit!

CHOR:
Es ist vollbracht!

BÄR:
Gezeugt ein neuer Mensch!

CHOR:
Durch Götter Macht!

Alle:
Oh, Heil dir, du heiliges Ei!
Heil! Heil! Der Götter Gnade Heil!
Kein schöner Ei in Deutschland sei,
Erlösung wird der Welt zuteil!
Den Sünder aus der Hölle Brand
erlöst der Held aus Tütschelland!

BÄR:
Nun laß die Schale uns erbrechen!

VOGEL:
Durch die Schale kann er selbst sich stechen!

BÄR:
So hör doch, ob sich was regt!

VOGEL:
Ich glaube fast -
es hat sich nichts bewegt!

BÄR:
So laß uns ihm doch Helfer sein!

CHOR:
NEIN! Der deutsche Held,
er schafft's allein!

BÄR:
Das ist doch wohl ein Jammer,
ich hole jetzt den Hammer
und die....

VOGEL:
Nichts holst du, Tölpel Dummer!
Ich glaube fast, dich treibt der Hunger!

BÄR:
Der Hunger treibt mich nicht so stark,
die Beute wäre doch sehr karg! 
leise
Obwohl, wenn ich's bedenk, es wär doch nett,
gäb's zu dem Vogel noch Omelett!

VOGEL:
Zu Kopfe steigt dir wohl das Blut,
es grauset mich in finstrer Wut!

BÄR:
Sagtest du nicht neulich
wortgetreulich
es wär erfreulich
und erbäulich
wenn ER nicht in Sünde -
Nein! Im Kopf entstünde?
Wo das Blut mir eben wallt!

VOGEL:
Halt ein! Ich seh', es ist vergebens!
Berauben wirst du ihn des Lebens.
Die Schuld wird auch die meine sein -
drum ißt du ihn auch nicht allein!

BÄR:
Nun gut, geteilt die Schuld durch zwei...
Frisch ans Werk, dort steht das Ei.

EI:
steht und wird geschlagen

CHOR:
Da seht an, er wird geboren,
der von Göttern auserkoren,
noch ein Schlag, dann ist's soweit!

VOGEL:
Ich glaube fast, er ist schon breit!

CHOR:
Nun gebt nicht nach, die Nacht entrückt,
gebt's drum, daß er das Licht erblickt!

es folgt die allerletzte Szene: die feierliche Geburt einer Wartburg-Vorderradachse vom Typ 353/1


CHOR:
Geboren, geboren,
der Sohn ist nicht verloren!
Mit deutschem Herz und reinem Sinn
mit harter Haut und eisern Kinn,
gepflanzet uns ins deutsche Land
der NEUE MENSCH, der NEUE MENSCH!
Die Welt, sie findet ihren Meister,
gebannt sind alle bösen Geister!

VOGEL:
Hey, Bär!
Was schaust so trübe du einher?
Hast du erwartet etwa mehr?

BÄR:
Ich hab's gewußt, es durft nicht sein,
die Müh war groß, der Nutzen klein!
Das soll nun der Deutsche sein!?

CHOR:
Geboren, geboren....
Beide leise im Abgang
Komische Sache das Ding
ungenießbar und kalt
und überhaupt...
Aber war schön mit dir, echt...
ad libitum

Die Sonne geht auf, es erglühen die Berge im Morgenrot

Schlußspiel

Schluß
Leipzig, 1991
uraufgeführt am 26. August 1991 in Leipzig
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