Ankommen
Egal wo ankommen ist pflicht er kommt er kommt an nicht im nirgendwoklischee im zu hause letztendlich doch seine flucht war sinnlos wie fluchten immer sinnlos sind wie die klischees wie die ausreden nicht ankommen zu wollen wo auch immer im altsein im älterwerden im auseinandergehen er verläßt den bahnhof seiner heimatstadt in seine richtung eine immer wieder fremde richtung fremde straßen seltsame leute geräusche er wundert sich alles ist ein wunder in vier tagen kann sich doch nicht alles verändert haben die gesichter der himmel wie der himmel täglich einen neuen prospekt aufrollt trüb sonnig wolkenlos bewölkt bevölkert die straßen mit gestalten die leuten ähneln denen welchen er immer aus dem weg gehen wollte er kann nicht nur laufen er läuft nicht mehr weg hin vielmehr hin zum fremden das ihm nahe ist ewige nähe tausend schwüre oder weniger sein zu hause dort wartet es auf ihn seine heimat seine richtung die schlägt er ein automatisch es stößt ihn aus dem zug die straßen hinunter bürgersteige hinauf übersät mit bürgern fremden spiegelgesichtern auch er ist ein fremder ach das bild des fremden es seufzt ihm auf wie schön anonymus schleicht durch die passagen spiegelt sein rasiertes gesicht wie alle zufällig im vorrübereilen oder schaut hindurch auf die vollen lippen der geschwätzigen verkäuferin alle verkäuferinnen sind geschwätzig denkt er er muß nach hause sie verkaufen alle müssen irgendwie zurechtkommen ankommen der schlüssel drückt gegen seine leisten wenn er sich den schnürsenkel zu binden will die tasche die sich immer öffnet zwischen die knie geklemmt so daß er seine füße nicht sehen kann neue schuhe wären das richtige ein gespräch mit der blonden verkäuferin vergessen über schuhe reden größen farben absätze ach vielleicht doch nicht aber eigentlich... zehn schritt vor seiner tür seinem haus seinem zuhause empfängt ihn regen der schon lange erwartet die hastenden zu noch größerer eile anhält er bleibt stehen muß stehen bleiben der regen ist warm kein grund wegzulaufen vor ihm felder staubige landstraßen die das naß aufsaugen danach wird die sonne dampf aus dem schlammigen untergrund saugen der wind die letzten wolken vertreiben schwalben glockengeläut ein wanderer mein gott er steht schon auf der schwelle es riecht wie immer nach hundekot der nachbar und seine töle das hat ihn die ganze zeit nicht interessiert freut er sich auf diesen gestank hat er sich etwa gefreut sie wird oben sitzen den kopf zwischen den schultern ein buch der computer komm ich mach uns einen tee sofort verspürt er bierdurst das hat er vergessen er wußte doch daß er etwas vergessen hatte auf dem bahnhof im zug hat er es sich noch vorgenommen wie immer hat er es vergessen eine flasche prosecco vielleicht noch jetzt ist keine zeit mehr warum eigentlich nicht er könnte klingeln hat den schlüssel schon in der hand wie immer ruhe er klingelt und schließt ihre schritte hinter der tür er kann sie nicht hören die klingel war laut den mit wasserperlen bedeckten mantel an die garderobe was sollte er auf den fußboden warum denkt er das jetzt der mantel auf dem fußboden es riecht nach kaffee jetzt doch geräusche stimmen von hinten ein karton versperrt ihm den weg ein karton voller bücher nicht seine er besitzt kaum bildbände die tür ist halb offen ach hermann ihre freundin rauchend beide rauchen (seit wann rauchst du) das hatte er sich nicht als begrüßungssatz gedacht (nach schwerer arbeit darf geraucht werden sind das nicht deine worte) ein tiefschlag was soll das wo ist er hier überall kisten in der küche chaos wenigstens einen kaffee unmöglich wo ist die espressomaschine (die nehm' ich auch mit) wieso auch (hermann bitte jetzt keine diskussionen wir haben letzte woche darüber gesprochen) letzte woche die hat er vergessen wie alles das bier der prosecco die letzte woche ihre worte nein ENTSCHEIDUNG was für ein wort (ich habe es nicht geschafft bis heute das auto du weißt schon) ja er weiß schon das auto der vergaser die batterie das rücklicht scheißegal was soll das jetzt und da nimmst du die espressomaschine mit der erste wichtige satz (die hat mir carlo geschenkt zu meinem dreißigsten) ja richig auch das hat er vergessen ihre entscheidung das bier den prosecco ihre ENTSCHEIDUNG carlo das der so an ihr hängt hat doch seine tänzer die bagage warum hat der dich nicht gefahren was für eine diskussion ihre tröge freundin lächelt weise in den rauch ihrer zigarette extra long damenzigaretten damenzigaretten für die starke frau emanzen mit dunkelbraunen glimmstengeln dünn und lang wie zimmermannsnägel das ist wohl jetzt total up to date oder wie auch immer er fand sie schon immer zum kotzen was hast du gesagt (ich habe gesagt das bettzeug lasse ich dir doch hier beate hat welches so gestepptes die decke du weißt schon wie wir letzten winter kaufen wollten) ruhe ruhe ruhe ja er weiß schon bettwäsche bier prosecco espresso alles vergessen was er vergessen will verfolgt ihn bis in die feuchtesten träume der rauch steigt ihm in die nase jetzt eine zigarette jetzt einen kaffee jetzt das ende der welt ja das wär' was Renate was soll das wollen wir nicht nochmal... was macht sie eigentlich hier (Brigitte fährt mich wenn du lieb sein willst kannst du uns ja helfen) euch euch ist nicht mehr zu helfen dir nicht ihr nicht was soll das der unschuldige schärft das beil seines henkers knüpft die schlinge zum justizmord zieht das gift in die spritze für den engel in weiß was helfen ich bin nicht lieb dann bin ich vor fünf raus eene meene muh raus bist du noch lange nicht nein danke dazu habe ich wirklich keine lust ich geh zu martin so hat er sich das vorgestellt ich geh zu martin ich geh zu johannes ich geh zum teufel in arsch einfach cool und warum nichts zu retten auch das hat er vergessen das er es schon lange wußte daß nichts mehr zu retten sein wird daß der zug abgefahren ist ohne ihn mit ihr ohne ihr mit ihm irgendwohin wohin er nicht käme sie nicht alle nicht zusammen schon gar nicht vorbei vorbei das kann nicht wahr sein die espressomaschine die hat er von Paula bekommen ihre war kleiner total unnütz nur für eine person aber vielleicht hat sie das schon vergessen wahrscheinlich der mantel ist noch leicht feucht er wird sich zigaretten kaufen das ist ein guter grund wieder anzufangen für ihre generösität auszuziehen schleppt sie alles weg fünf jahre in kisten säuberlich verpackt zerknülltes zeitungspapier zwischen die monate die geburtstage in extrakartons den ersten orgasmus in die geliebte handtasche die espressomaschine aufgewaschen in die originalverpackung endlich weiß er wozu es gut war sämtliche kartons und häßlichen behältnisse aufzuheben ihre ordnung hat ihre berechtigung wieder ein dumpfer schlag alles wird zurückgepackt fast wie neu fünf jahre später ihre ordnung macht es möglich jetzt weiß er alles er weiß warum er ihre ordnung immer verabscheute die staubigen leeren kartons auf dem zwischenboden die bedrohung aller wochen beim wegstellen oder neuhinzufügen den versteckten hinweis alles ist möglich es ist keine mühe für mich die kartons der staub ist schnell abgewischt er schließt die tür (wohin willst du) das ist jetzt nicht mehr wichtig er muß nichts mehr zurückrufen sich nicht umdrehen wenn sie die türe nocheinmal öffnet nicht winken keine kußhand nicht neben der türe warten um sie zu erschrecken nochmal in die arme schließen nochmal küssen er steigt die treppe als freier mann hinab sie öffnet die tür nicht noch einmal.
friedrich 11-96 bologna
friedrich 11-96 bologna