Kleine Schritte

Nichts mehr hören wollen nichts mehr hören können nicht wollenkönnen was hätte passieren müssen was hätte er machen können wollen jetzt regnet es richtig die jacke vergessen die mit dem regenschutzfaktor immer wieder vergessen wie ein mantra albern wo hat er das gelesen eine religion wäre doch unbezahlbar jetzt religion ist glück UND vergessen ein bildchen über dem bett ein ritual wie sonntags vor dem frühstück die abteilung morgensex sonntags kirche oder ashram oder schreitherapie oder fahhrradfahren die leute eilen unter ihren schirmen ihren gedanken nach wie er immer hinterher in der tasche fühlt er etwas spitzes ein messer eine feile einen kugelschreiber zum schreiben natürlich zum kreuze machen das glück herausfordern johannes kann mir ohnehin nicht helfen der samariter ein herz für alle eigentlich weiß er alles was will er da noch helfen nichts zu machen das weiß er selbst er hat einen entschluß gefaßt der ihn lächeln läßt schade daß gerade kein schaufenster zur rechten ist er hätte es gern gesehen und gern gesehen wie sie darauf reagiert hätte er hundert meter nur entfernt im entfernungsschritt schon wieder lächelnd weil er das glück herausfordern wird das kleine glück des fabrikarbeiters denn nur fabrikarbeiter spielen lotto und eben auch er das ist wirklich groß die zahlen hat er schon im kopf wann war es gewesen im juni heiß war es gewesen am fünfundzwanzigsten dreiundneunzig er war zweiunddreißig das stand minus vier gegen ihre achtundzwanzig das sind genau sechs zahlen die nur gewinnen können vier sechs fünfundzwanzig achtundzwanzig zweiunddreißig und was mache ich mit der dreiundneunzig neununddreißig klingen auch gut das wird er in vier jahren alles spiegelt sich achtundzwanzig plus vier und zweiunddreißig plus vier und sechsunddreißig plus vier nein das stimmt nicht ist ja egal war nicht gleich hier in der nähe dort noch einen kaffee getrunken eine schachtel zigaretten gekauft genau dort wird er seine erste selbstgekaufte zigarette seit zwei jahren rauchen wie ein halbwüchsiger hat er sich immer gefragt was das sein soll kleinwüchsig konnte man sich ja vorstellen halbstarker er war auch nie stark nicht mal halb die erste war wirklich eine erkenntnis wozu bier trinken eine zigarette das dreht unheimlich fast er schon neunzehn den drogen verfallen der abstieg seine mutter wird er es jemals schaffen nicht mal abitur die seitenstraße kommt ihm bekannt vor logisch drei straßen weiter ist seine wohnung wenigstens ist die ihm geblieben wunderbar wenigstens alles fremd nicht wie im traum aber fremd wie nach wochen heimgekehrt der müll ist der gleiche der selbe wie ist das richtig jetzt doch ein schaufenster nein ein restaurant ein reataurant mit schaufenster mit leuten drin sitzend essend das kommt ihm wieder bekannt vor logisch drei straßen weiter nein das erste essen ich hole dich holst du mich ab du holst mich ab halb acht halb neun ist sie gekommen der tisch war noch frei man hätte sich viel erzählen können aber man aß sie aßen schweigend das ist aber schön hier gleich in der nähe ja gleich in der nähe aber ich war noch nie hier du? ein tisch dazwischen geschoben zum essen natürlich nicht zur folter sie kaum in reichweite des armes beim greifen der pfeffermühle berührte er ihre hand was tun zugreifen die pfeffermühle fiel auf den tellerrand eine riesige pfeffermühle aus holz ein phallussymbol sondergleichen mit der anderen hand dieses aufzufangen war nicht möglich die gabel verfing sich im tischtuch auf der hose rote flecken die berührung währte nur drei zehntelsekunden und drei jahre bis heute dort hinten an dem tisch in der ecke warum mußte er hier entlang laufen trieb es ihn ES befreites lachen wie im film alle peinlichkeiten überspielend die kleine ecke vom tellerrand trug sie wohl drei monate in ihrem portemonnaie herum bevor sie sie verlor das schaufenster war erleuchtet hinter ihm es gab ihm kein lächeln zurück dessen war er sich sicher des lichtes wegen da spiegelt sich nichts kein schicksal keine geheimnissvolle zahlenmagie vier plus zweiunddreißig ist nicht neununddreißig aber irgendwie paßt es schon diese seitenstraße die nie und nimmer zu diesem fabrikarbeiterlottoladen führt keine straße zum glück also gibt es eigentlich noch fabrikarbeiter er wendet nicht der umweg ist kurz alles hat er nicht vergessen natürlich nicht das weiß er aber es ist schrecklich amüsant damit zu spielen kleines mitleid kleines unglück was soll das die straße ist fast leer aber die tür läßt sich kaum öffnen da breite schultern und schwerer geruch kaum platz lassen in diesem laden er zwängt sich hindurch ein unsinn den zigarettenstand genau an den eingang zu legen erst einen kaffee und dann spielen kreuzen also spielen war immer indianer oder räuber und schambambel also einen kaffee espresso stark du mußt jetzt ganz stark sein ach mutter ach ja zigaretten der kaffee steht schon da zigaretten wie früher kein kaffee ohne zigarette unvorstellbar was raucht ein fabrikarbeiter hb ernte f6 natürlich wir sind hier im osten die gab es doch schon früher da hat er noch cabinet geraucht oder semper da mußte man immer mit der schachtel verkehrt herum auf den tisch schlagen damit der tabak in den zigaretten zusammenrutscht sonst hatte man am ende nur eine leere hülse wie bei den alten juwel oder was es nicht alles gab schweinekämme juwel zweiundsiebzig zweifuffzich das paket bulgarische geschmacksoffensive im namen der antiimperialistischen völkerfreundschaft übertrieben aber geraucht haben das fabrikarbeiter als es keine fabriken gab nur betriebe eine schachtel f6 bitte fünf mark der kaffee ist noch warm so einen laden gibt es nur hier alles in einem kaffee zigaretten lotto unfreundliche bedienung früher gab es hier auch briefmarken neununddreißig ist schwachsinnig fast vierzig er macht bei der drei das sechste kreuz herrlich zahlen sind so schön einfach keine boshaftigkeiten immer geradlinig im einmaleins nichts unerwartetes da kann man nur gewinnen warum spielen nur so viele leute lotto er hat nur einen hundertmarkschein automatengeld zu groß für eine kleine lottoannahmestelle überforderung allenthalben mein gott das kann doch nicht wahr sein nun mach mal platz hier ein tip allein wird hier wohl nicht gern gesehen die alte nimmt den schein gar nicht erst in die hand nagelneu dieser schein stinkt ganz bestimmt nicht schon ist er wieder in der zweiten reihe hundert mark in der einen die glückszahlen in der anderen hand keine chance es wird ihm keine chance gegeben wenigstens millionär sein darauf hat er ein recht doch hier hilft ihm kein verfassungsgericht raus hier nur raus den schein steckt er zerknüllt in die tasche er wird ihn später wegwerfen die zahlen hat er im kopf die kann er nicht vergessen warum hat er so schnell aufgegeben vielleicht gibt es ja noch so einen laden wo wollte er eigentlich hin er hätte vorher anrufen sollen früher konnte man nicht anrufen man bekam öfter besuch weil man einfach hinging wenn man jemanden besuchen wollte oder stimmt das gar nicht war er nicht immer bei hartwig gewesen jeden tag als halbwüchsiger eine clique halbstarker mit halblangen bis langen haaren dünn und immer fettig zumindest seine was tat man nicht alles für drei fünfundsechzig in der apotheke vitamin b tabletten gekauft und gegessen einige verückte sollen sich das zeug sogar gespritzt haben uhu lulle kugel und so in wasser aufgelöst und gespritzt lange haare als droge früher war man immer unter freunden man hatte keine eigenen probleme nur gemeinsame und lange haare wie kommt er eigentlich von hier aus zu johannes vielleicht ist er ja im atelier und gar nicht zu hause er hätte eben doch telefonieren sollen aber renate und brigitte hat sowieso riesige ohren die bekommen alles mit können nicht genug bekommen was will er denn jetzt bei dem ja was wohl über lottoergebnisse diskutieren kann man über lottoergebnisse diskutieren über zahlen was machen die mathematiker den lieben langen tag diskussionsrunden über zahlen veranstalten sind alle lottomillionäre gute mathematiker die ecken sind so gebaut daß man sie gut wiedererkennen kann eine kleine freude wie nach langer reise wo war er gewesen hat er sie nie verstanden ist das eine frage die jeder mann sich irgendwann einmal stellt könnte er sie johannes stellen habe ich sie vielleicht nie verstanden ist es nicht gerade das große geheimnis zwischen mann und frau gibt es ein geheimnis zwischen mann und frau oder gibt es immer nur ärger er lacht weil brigitte große ohren hat größere als renate so groß daß sie manchmal in seinen träumen aufgetaucht sind wissen frauen daß ihre titten auch ohren sein können haben intellektuelle mitdreißigerinnen ohren anstatt titten oder nur fabrikarbeiterfrauen können intellektuelle vulgär sein ohne zweifel johannes ist immer vulgär bis auf seine kunst in der ist er feinsinnig ein gourmet was für eine frage wenn er nicht zu hause ist wird er sofort versuchen ihn in seinem atelier zu erreichen licht brennt nicht aber meistens vertauscht er ohnehin die etagen im flüchtigen hinschauen er wird wie immer den schlüssel aus dem fenster werfen auch wenn offen ist 30.12. 96 bologna / j. a. friedrich